26. Jan 2021
Wird mein Baby von Hämophilie betroffen sein? Diese Frage bewegt viele Familien, in denen die Gerinnungsstörung schon einmal aufgetreten ist. Anders ist es, wenn niemand von bisherigen Fällen weiß oder wenn die Erkrankung erstmalig in der Familie auftritt.
Eines ist in allen Situationen gleich: Besteht ein Verdacht auf Hämophilie, muss beim Kind eine umfassende Diagnostik durchgeführt werden. Ist die Diagnose zweifelsfrei gestellt, ebnet das den Weg für eine individuelle Hämophilietherapie mit normaler Lebensqualität für das Kind.
Frauen, die bereits wissen, dass sie Konduktorinnen sind, sind oft die ersten, die nach der Hämophiliediagnostik fragen. Wer dies schon in der Schwangerschaft abklären lassen möchte, kann pränatale Diagnostik in Anspruch nehmen, also eine Befunderstellung vor der Geburt. Genetische Beratungsstellen informieren über die aktuellen Möglichkeiten.
Um die Untersuchung durchführen zu können, werden Zellen aus dem Mutterkuchen (meist in der 10. bis 12. Schwangerschaftswoche) oder mittels Fruchtwasseruntersuchung (15. bis 18 Schwangerschaftswoche) entnommen. Diese Zellen werden im Labor untersucht und es wird geklärt, ob die Gene der Gerinnungsfaktoren verändert sind.
Falls vor der Geburt klar ist, dass das Baby von Hämophilie betroffen ist oder wenn die werdende Mutter Konduktorin ist, sollte eine passende Geburtsklinik ausgewählt werden. Wenn Gerinnungsspezialisten von Anfang an vor Ort sind, bietet das ein hohes Maß an Sicherheit. Es spricht grundsätzlich nichts gegen eine Spontangeburt. Sind die Geburtshelfer informiert, werden sie bestimmte Aspekte berücksichtigen. So wird u.a. auf Saugglocke oder Geburtszange verzichtet und ganz allgemein darauf geachtet, auch kleine Verletzungen des Kindes unbedingt zu vermeiden.
Haben sich die Eltern gegen eine vorgeburtliche Untersuchung entschieden und besteht der Verdacht auf eine Gerinnungsstörung des Kindes, wird die Diagnostik meist kurz nach der Geburt durchgeführt. Die Geburtsklinik sollte dann auf jeden Fall auch informiert werden und direkt spezielle Gerinnungsfaktoruntersuchungen einplanen.
Für das Baby ist eine Untersuchung zu diesem Zeitpunkt völlig gefahrlos und schmerzfrei möglich, denn hierfür kann ganz einfach Blut aus der Nabelschnur entnommen werden. Dieses wird im Labor untersucht und die Diagnose steht innerhalb kurzer Zeit fest.
Eine so frühe Untersuchung macht es den Familien leichter, sich auf das Leben mit der Hämophilie des Kindes einzustellen. In der Regel zeigen sich erste Symptome der Blutungsneigung meistens erst nach 6-9 Monaten, diese Zeit kann sinnvoll z.B. zur Informationsbeschaffung genutzt werden.
Das frühe Wissen um die Erkrankung ist auch deswegen gut, weil das Kind direkt geschützt werden kann. So geben Kinderärzte dann schon die ersten Impfungen, die ab dem zweiten Lebensmonat anstehen, unter die Haut und nicht wie üblich in den Muskel. Dem Kind bleiben Muskeleinblutungen erspart.
Vor allem in den Familien, in denen Hämophilie bisher nicht aufgetreten ist, dauert es meistens etwas länger bis zur Diagnosestellung. Die klassischen Anzeichen für die Gerinnungsstörung treten im Krabbel- und Lauflernalter auf. Gerade bei einer schweren Hämophilie kommt es schon bei vielen Säuglingen und Kleinkindern schnell zu blauen Flecken und beim Laufenlernen sind auch Blutungen an und in den Gelenken und Muskeln zu beobachten.
Aufmerksame Eltern, Kinderärzte und andere Menschen im nahen Umfeld hegen bei solchen Anzeichen oft den ersten Verdacht. Bei diesem Verdacht ist ebenfalls eine Blutuntersuchung erforderlich, um die Diagnose zu sichern.
Egal ob während der Familienplanung, in der Schwangerschaft oder wenn das Kind bereits die Diagnose Hämophilie erhalten hat – gute Beratung macht sicher und nimmt Ängste und Sorgen. Hier sind die spezialisierten Hämophilie- bzw. Gerinnungszentren eine hervorragende Anlaufstelle. Spezialisierte Fachärzte und ihre Teams stehen dort mit Informationen, Tipps und individuellen Empfehlungen bereit. Ein Verzeichnis aller Hämophiliezentren in Deutschland finden Sie auch hier auf haemophilie-therapie.de.